Tanz des Monats November „Herbstmazurka“ von Karin Meinhard
Die „Herbstmazurka“ ist ein schöne Neukreation von der Hamburger Musikerin und Tänzerin Karin Meinhard. Es ist ein Paartanz mit Partnerwechsel und die Melodie
harmoniert sehr schön mit den Tanzschritten, was bei Neukreationen von Volkstänzen gelegentlich nicht so gelungen ist.
Es ist eine Mazurka im alten Stil mit der traditionellen Kombination von Mazurkaschritten und Dreitritten und die Paarfassung im A-Teil mit der Rückenfassung zeigt auf, welch schöne Varianten es
auch im Bereich der Fassungen bei Deutschen Tänzen gibt. Dieser Aspekt wird häufig völlig vernachlässigt bei Tanzseminaren oder Tanzbällen. Die im deutschen Volkstanz dominierende Variante der
Mazurka wurde früher „Polka-Mazurka“ genannt.
Aenne Goldschmidt schreibt dazu im „Handbuch des deutschen Volkstanzes“ (S. 198):
„Eine weitere Abart (der Mazurka) ist die Polka-Mazurka, eine Mischung von Mazurka- und Walzerschritten; am Anfang wohl hauptsächlich mit einem Wechsel von je 1 Mazurka- und 1 Walzer-Schritt mit
Halbumdrehung, später auch 3 Mazurka- und 1 Walzer-Schritt.“
Aenne Goldschmidt benennt nicht nur Walzerschritte als Ergänzung zum Mazurkaschritt, sondern auch Dreitritt, Laufschritte, Schwingschritte u.a.m. Die Bezeichnung Polka-Mazurka ist
eigentlich irreführend, denn ein Polkaschritt kommt darin gar nicht vor, aber wahrscheinlich hat man damals den Dreitritt als eine Art Polkaschritt angesehen und danach diese Form der
Mazurka so benannt.
Dieser in Paris von Tanzmeistern entwickelte Gesellschaftstanz des 19. Jahrhunderts hat nach dem Ende als Gesellschaftstanz im Volkstanzbereich eine breite Vielfalt an Tanzformen entwickelt.
Sowohl in Deutschland als auch in ganz Europa gibt es viele schöne Varianten, die leider kaum noch getanzt werden. Höchste Zeit, dass wenigsten bei uns mal wieder andere Mazurkaformen getanzt
werden, wie die Polka-Mazurka oder die Varsovienne oder die Tyrolienne, die ich im Tanz des Monats für den Juni 2022 schon vorgestellt habe.
Mehr zur Geschichte der Mazurka in Europa ist hier zu lesen in meiner Einführung zu einem Mazurka-Seminar des BVfDT.
Die „Herbstmazurka“ haben wir schon 2011 in der Osdorfer Tanzwerkstatt bearbeitet und die dabei entstandene Aufnahme der Tanzmusik ist hier herunterzuladen. Inzwischen habe ich auf die Melodie einen passenden
Liedtext aus des Knaben Wunderhorn gesetzt, so dass man die schöne Melodie, wenn auch etwas vereinfacht, auch als Lied singen kann. Hier ist der Liedtext herunterzuladen und hier die Tanzbeschreibung.
Viel Spaß mit diesem herbstlich-melancholischen Tanz wünscht Hinrich Langeloh !
Tanz des Monats Oktober 2022
Hopp Marjännchen – Hopp Mariannele - Hopp Marjannchen
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das schwungvolle Tanzliedchen „Hopp Marjännchen“ sehr populär in ganz Deutschland. Der Ursprung ist nicht genau bekannt, aber man kann davon ausgehen, dass es
aus Frankreich stammt und mit der französischen Revolution und Napoleon auch zu uns hinüber kam. So war doch eine imaginäre Frau „Marianne“ das Symbol der französischen Revolution, wie auf dem
berühmten Bild von Eugène Delacroix von 1830 (Quelle: Wikipedia).
Auch der fröhliche 6/8-Rhythmus der Melodie lässt einen französischen Ursprung vermuten. Was in Deutschland dazu getanzt wurde, ist nicht überliefert, aber im Elsaß wird das Lied unter dem Titel
„Hopp Mariannele“ zu einer Polka Piquée, also einer Hacke-Spitze-Polka, gespielt.
Hier ist so eine Beispiel anzusehen: https://www.youtube.com/watch?v=opjErxnV_cU.
In der Osdorfer Tanzwerkstatt haben wir auch ein choreographierte Tanzform entwickelt, die hier als pdf herunterzuladen ist. Sie ist eine schwungvolle
Variante im Kreis mit Paaren, wobei die Männer immer bei jedem Durchgang eine Position in Uhrzeigerrichtung weitergehen. Die Musik dazu ist die Originalaufnahme des Ensembles der Osdorfer Tanzwerkstatt 2011, die sich orientiert an der überlieferten Version von Franz
Böhme „Geschichte des Tanzes in Deutschland“ von 1886.
Daneben gibt es noch handschriftlich überlieferte Varianten der Melodie, wie im Tanzbuch von Arendsee (nach 1870 notiert), aber es fällt auf, dass in erster Linie der B-Teil der Melodie verändert
wurde. Das liegt vielleicht daran, dass im Liederhort von Erk/Böhme mit dem Titel „Zum Tanze mit der Puppe“ nur der A-Teil mit Text notiert war, so dass dieser Teil in allen Teilen Deutschlands
immer genauso gesungen wurde, wie überliefert, aber der B-Teil der Melodie frei gestaltet werden konnte, bzw. musste. (s. 3 Versionen).
Der Tanz des Monats September:
Der Sommer, der Sommer, ach Gott, was fang ich an …
- ein neu geschaffener Singtanz aus der Osdorfer Tanzwerkstatt -
Dieses alte Lied kommt aus dem Rheinland und passt sehr gut zum ausgehenden Sommer jetzt im September. Es hat eine relativ einfache Melodie und vor allem einen eingängigen Refrain. Von daher bot
sich das Lied an für einen Reigen zum Mitsingen.
Derartige Lieder waren entweder Arbeitslieder oder Tanzlieder, weil im Kehrreim alle miteinander singen und der Vorsängertext viel Raum für improvisierte Texte lässt. So gibt es noch in einigen
Kulturen die schöne Tradition, dass wechselnde Vorsänger den Tanz anführen, bzw. ziemlich lange den Tanz acappella begleiten. Dafür spricht auch, dass lediglich ein Fragment mit einer Strophe
aufgezeichnet wurde und die Strophen 2-4 von Gottfried Wolters ergänzt wurden. Gottfried Wolters lebte von 1910-1989 und hat sich sehr der Singebewegung in Deutschland gewidmet, u.a. als
Herausgeber der fünfbändigen Singbücher für die Schule „ars musica“. In dem 1. Band 1968 findet sich dann auch das Lied „Der Sommer“ mit den ergänzenden Strophen von
Gottfried Wolters.
Diese Werke sind auch heute noch ein großartiger Liederschatz und viele Lieder davon hat Gottfried Wolters übersetzt oder ergänzt, wie z.B. auch das bekannte „Alle, die mit uns Kaperfahrt fahren“
oder das schöne „Freunde, lasst uns fröhlich loben“. Er war auch Mitbegründer des AMJ (Arbeitskreis Musik in der Jugend) 1947 mit Fritz Jöde u.a.
Inspiriert von seiner Tradition der Textergänzungen bei kurzen Liedern habe ich auch noch vier Strophen beim „Sommer“ hinzugefügt und es sei jedem empfohlen, sich weitere Strophen
auszudenken.
Zur Tanzform der Singtänze sagt Aenne Goldschmidt in ihrem „Handbuch des deutschen Volkstanzes“:
Zu der Kategorie der Singtänze gehören verschiedenartige Reigenformen mit Gesang… Das Wesen dieser Tanzart besteht in der tänzerisch-pantomimischen Darstellung des Liedinhaltes. Je nach Inhalt
und Anlage des Liedtextes erhält die Darstellungsweise einen mehr dramatischen, mehr lyrischen oder mehr epischen Charakter. Der größte Teil der Singtänze spielt sich in der Form des Kreisreigens
ab.“ (S. 29)
Auch die Aufzeichnung der deutschen Volkstänze zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann mit einer Sammlung „Tanzspiele und Singtänze“ von Gertrud Meyer 1907, wenn auch es in der
Mehrzahl skandinavische Singtänze waren:
„Die hier gesammelten Tanzspiele und Singtänze sind alle schon oft getanzt worden, von Schulkindern und von Erwachsenen, und immer mit Freude und großem Vergnügen. … Eine ganze Anzahl der
nachstehenden Tänze sind aus dem Schwedischen übertragen. Andere sind mehr oder weniger bekannte deutsche Tänze und Spiele. …“ (aus dem Vorwort)
Mein neu geschaffener Tanz hat sich auch an der Form des Kreisreigens orientiert, wenn auch mit Partnerwechsel, was früher eher nicht üblich war. Die Tanzschritte sind relativ einfach gehalten
und leben von dem Gegensatz mit dem schleppenden Beginn der Melodie und dem hüpfenden Zwischenteil der Strophen, bei dem dann auch der Partnerwechsel im Kreis passiert. Hier gibt es die Tanzbeschreibung und den Liedtext zum Herunterladen als pdf.
Als Tanzmusik gibt es eine Aufnahme der OS-Dorfmusik als mp3. Das Tempo ist moderat, in etwa 90 pro Viertel.
Viel Spaß beim Singen und Tanzen wünscht Hinrich Langeloh
Tanz des Monats August 2022: Menuet Laschene
In der Dahlhoffsammlung von 1767 gibt es die Tanzmelodie „Menuet Laschene“ (Bd. 1, Nr. 65), die damals durch halb Europa gewandert ist. Zuerst notiert finden wir sie um 1746 im Spielbuch für Carillon (Glockenspiel) von Joannes de Gruijtters in Antwerpen, mit dem Namen „Menuet de quater“ und einem A- und B-Teil im 3/4-Takt. Schon 1760 taucht die Melodie in Dänemark in der Sammlung des Geigers Rasmus Storm leicht verändert auf, mit dem Namen „Menuet de France“ und einem A- und B-Teil im 3/4-Takt und einem C-Teil im 2/2-Takt. 1767 notiert sie der Musiker Johann Heinrich Dahlhoff im westfälischen Dinker in seinem ersten Band unter dem Namen „Menuet Laschene“, eine Eindeutschung des Titels „Menuet de la chaine“ dieser Melodie, wie sie einige Jahre später im Manuskript von Joseph Wandembrile, einem Geiger aus Namur in Belgien, im Jahre 1778 notiert wird. Dieser Tanzname deutet darauf hin, dass der damalige Tanz zu der Melodie eine Ketten-Figur enthielt, aber leider ist die Tanzform nicht überliefert. Diese Melodie von Wandembrile enthält einen C-Teil im 6/8-Takt und dieser Melodieteil wurde wahrscheinlich schon länger getanzt, denn der 2/2-Takt im C-Teil der „Menuet de France“ von Rasmus Storm um 1760 entspricht in etwa dem Nachtanz von Wandembrile. Johann Heinrich Dahlhoff muss diese Melodievariante gekannt haben, weil er den Namen übernommen hat, aber er konnte wahrscheinlich mit den Nachtanz nichts anfangen und hat ihn daher nicht mit notiert. Diese Form eines Nachtanzes ist sonst bei Menuetten nicht bekannt und die Melodie hat auch keine richtige Menuet-Phrasierung, so dass ich davon ausgehen, dass damals schon etwas anderes dazu getanzt wurde, was aber leider nicht mehr bekannt ist. Nun ist aber die Melodie sehr populär bei den MusikerInnen hier im Lande und auch in Belgien, so dass sich der belgische Musiker und Tänzer Marc Malempré erbarmt und eine neue Choreographie dazu verfasst hat. Er transformierte die Menuett-Melodie in eine Walzermelodie, was aber bei dieser Melodie sogar passender ist als einen Menuett-Schritt darauf zu versuchen. Leider hat er aber darauf verzichtet, eine Ketten-Figur in seine Choreographie einzubauen, die dem ursprünglichen Tanz wahrscheinlich den Namen verpasst hat. Zumindest im schnellen und gehüpften C-Teil wäre eine Ketten-Figur sehr passend gewesen. Trotzdem ist eine ganz schöne Tanzform zur Melodie entstanden, die mit einiger Übung auch getanzt werden kann. Ein Ball-Tanz hier in unseren Breiten ist es eher nicht. Marc Malempré hat seine Choreographie zu der dreiteiligen Melodie des Manuskript von Wandembrile gemacht, so dass man beim Spiel der zweiteiligen Dahlhoff-Melodie „Laschene“ den letzten Teil des Tanzes einfach weglassen kann. Marc Malempré spielt bei dem Tanz viel mit der Allemanden-Fassung der Tanzpartner, hier im Norden auch „Kiekbusch-Fassung“ genannt, weil der Mann etwas hinter seiner Frau steht und an ihr links und rechts vorbeischaut, wie aus einem Busch heraus. Diese Tanzfassung wurde aus Deutschland nach F rankreich exportiert und kam dann im 16. und 17. Jahrhundert als Tanz „Allemande“ mit vielen Wicklerfiguren - wie wir sie aus den Volkstänzen des Alpenraumes kennen - wieder zurück nach Deutschland in die gutbürgerlichen Tanzkreise. Nicht umsonst hat auch der Bundesverband für Deutsche Tänze diese Tanzfassung sehr schön stilisiert von Gabi Blank als sein Logo übernommen.
Ansonsten bietet das Schrittmaterial nichts besonderes. In den ersten beiden Teilen im 3/4-Takt dominieren die Walzerschritte und im dritten Teil im 6/8-Takt gibt es Gehschritte und Polkaschritte am Platz, bzw. Englische Set-Schritte (li-re-li und re-li-re am Platz). Hier ist die Beschreibung zur Choreographie von Marc Malempré als pdf.
Im Internet gibt es diverse mehr oder weniger gelungene Filmchen über diesen Tanz und gespielte Melodien auch jede Menge als Begleitmusik.
Hier ist eine schöne Tanzmusik der Dahlhoff-Melodie „Laschene“ von der Compagnie Brumborium aus dem Jahre 2015, mit einigen Tanzanweisungen im Hintergrund.
Einen schönen Vergleich der verschiedenen überlieferten Fassung des Menuetts hat Thomas Behr vom Tanzmusikarchiv verfasst. Hier ist die Zusammenstellung als pdf.
Somit viel Spaß mit dieser schönen Walzer-Choreographie wünscht
Hinrich Langeloh.
Tanz des Monats Juli 2022:
Die (Contredanse) Anglaise oder Angloise oder Englischer (Modetanz im 18. Jahrhundert)
Durch die Wiederentdeckung alter Handschriften mit Tanznoten sind inzwischen auch Melodien zu englischen Tänzen im spielerischen Gebrauch. Vivien hat für diesen Monat eine Angloise aus dem Wernigeroder Tanzbüchlein gewählt und daher möchte ich einige Worte zu der Tanzform der Anglaise hier verlieren. Die Anglaise war ein Modetanz in Deutschland und Westeuropa in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und bezeichnet eine Kontratanzform aus England mit zwei Reihen von Männern und Frauen. Wie bei vielen populären Tänzen kam diese Tanzform über Paris zu uns und nicht direkt aus England, und daher kam auch die französische Bezeichnung Anglaise, bzw. Contredanse als Adaption des englischen Countrydance – wie er zuerst in England von John Playford im 17. Jh. gedruckt wurde. In zeitgenössischen Beschreibungen heißt es zum Contredanse:
„Die englischen Tänze werden gemeiniglich die englischen Sesjen oder Contre Tänze genennet, sie werden sowohl bey Hoefen, großen Bällen als Hochzeiten, nach dem Menuett am meisten getanzet. (Christoph Gottlieb Hänsel, Universitätstanzmeister in Leipzig 1755)
Der Contretanz (Anglaise, Countrydance, Englischer Tanz), hat gleichfalls einen lustigen Charakter und ist der unendlichen Abänderungen fähig. Die Musik ist bald im geraden, bald im Trippeltakt gesetzt, die von der letztern Art finden jetzt hauptsächlich Beifall. Jeder Theil hat acht Takte, wie beim Cotillon; ohne Trio paßt sie zu vier Touren, mit Trio zu sechs oder acht. Die Anzahl der Personen bei diesem Tanze ist gänzlich unbestimmt, und die Kolonne kann bis zum Ermüden groß werden. Herren und Damen rangiren oder ordnen sich einander gegenüber en haye. Das erste Paar fängt die Touren an, die so eingerichtet sind, daß es nach Endigung des Tanzstückes um eine Stelle in der Kolonne hinunter kommt, und endlich das letzte Paar wird. So wie die folgenden Paare herunter tanzen und die vorgemachten Touren nachahmen, rückt das erste wieder hinauf, und kommt am Ende wieder oben, da es von der Colonne abtreten kann. Eher abzutreten ist wider die Höflichkeit, weil dadurch die übrigen Paare einige Touren verlören; es ist auch nicht mehr als billig, daß ich dem, der mir als Figurant zur Vollendung meiner Touren gedient hat, wieder als Figurant diene. Es läßt sich hierüber, so wie über das Vordringen nach den ersten Plätzen, über das unordentliche Stehen in der Kolonne etc. sehr wenig sagen. Zu den Eigenschaften einer guten Anglaise gehört 1) daß die Musik hebe, d. h., einen merklichen Rhythmus habe, und von munterer Melodie sey. 2) Daß die Touren der Musik gehörig angepaßt, nicht zu lang und nicht zu kurz seyen; 3) daß sie gehörig in einander greifen, und die vorhergehende gleichsam die folgende vorbereite; 4) daß die Figuranten nicht ganz müßig stehen, sondern soviel, als möglich, mit ins Spiel gezogen werden. (Oekonomische Encyklopädie von J. G. Krünitz (1773-1858 in 242 Bänden))
Das Interessante an dem englischen Tanz war die Gleichberechtigung aller Tänzerinnen und Tänzer. Jeder kam mal an die führende Position und konnte den Tanz bestimmen und es waren eine Menge Tänzerinnen und Tänzer am Tanz beteiligt. Dies wurde dem damaligen Zeitgeist, besonders auch in Frankreich sehr gerecht und so war der Tanz auch eine Vorbereitung und Begleiterscheinung der französischen Revolution von 1792 mit den Forderungen nach Egalité, Fraternité und Liberté. Auch in Deutschland wurde der Tanz sehr beliebt, weil es ein immer breiteres Bürgertum gab, die Lust auf neue Tänze hatten. So entstanden damals plötzliche eine Menge Lehrbücher zur Anglaise und zwei davon gab es im Alten Land, südlich von Hamburg, genannt „Noten und Tuhren Buch“ von 1791 und 1792. Sie waren im Familienbesitz der Bauernfamilien Peter Vollmer und Peter Meyer und demonstrierten sehr deutlich den Anspruch einer vermögenden Schicht in der Landbevölkerung, teilzuhaben an den damaligen Gesellschaftstänzen der bürgerlichen Gesellschaft. Ein sehr schönes Buch mit diesen Tänzen und dem Titel „Die Altländer Noten- und Tourenbücher von 1791 und 1792“ herausgegeben von Hinrich Behr und der Kulturstiftung Altes Land im Jahre 2009 gibt es immer noch neu zu kaufen.
Aus diesem Buch habe ich die Anglaise Nr. 9 ausgewählt, weil der Tanz eine schöne Melodie hat und relativ einfach in größeren Gruppen zu tanzen ist. Vor einigen Jahrzehnten wurde die Melodie mit einer neuen Choreographie versehen, u.a. mit der Wicklerfigur „Fenster“ aus den Ländlertänzen Süddeutschland und der Komponist Heinz Lau ergänzte einen C-Teil. Unter dem Namen „Das Fenster“ ist der Tanz in Volkstanzkreisen sehr populär geworden. (Hier der Youtube-Link zum Tanz: https://www.youtube.com/watch?v=N6f2U8ctdOw)
Generell jedoch haben sich die Englischen Tänze nicht in den deutschen Volkstänzen erhalten. Es war eine Modewelle, die Mitte des 19. Jh zu Ende ging und es gibt kaum überlieferte Volkstänze in Deutschland, die mit zwei Reihen, also einer Gasse getanzt werden. Besser erhalten haben sich im Volkstanz die Contredanse francaises oder Quadrillen, bzw. Cotillon genannt, also die Vierpaartänze im Quadrat, aber das ist ein anderes Thema.
Hier ist die Beschreibung des Originaltanzes zur Melodie des Altländer Nr. 9.
Die englischen Tänze in Deutschland hatten keine Melodien aus England,
sondern wurden getanzt zu Neukompositionen heimischer Musiker hier in Deutschland und sie hatten auch keine einheitliche Taktform, sondern es gab sie im 3/8-Takt oder im 2/4-Takt. Dabei wurde der
3/8-Takt nicht als Walzer interpretiert, sondern zwei Takte zusammengenommen als 6/8.
Zu den Schrittarten der englischen Tänze steht bei den meisten Beschreibungen nichts, aber mit Wechselschritten und/oder Gehschritten kann man die Tänze eigentlich recht gut tanzen, wenn auch die genaue Interpretation schon in Richtung historischer Tanz geht und viel Übung verlangt. Das Tempo sollte maßvoll gehalten sein und nicht gehetzt. So löste im 19. Jh die Ecossaise mit einem etwas schnelleren Tempo die Anglaise ab und aus Ecossaisen-Walzer am Ende einer Ecossaise entstand der auch heute noch bekannte Schottisch-Paartanz. Damit hat man gewisse Anhaltspunkte für das Tanztempo einer Anglaise.
Die Tanzfiguren, bzw. Tanzteile wiederholten sich oft in unterschiedlichen Choreographien und die Musik war – bis auf die Taktzahl - austauschbar, so dass einige Tanzmeister damals dazu übergingen, vor einem Tanzabend neue Tänze zu arrangieren. Dazu gab es Kärtchen mit den Tanzfiguren, die dann einfach in einer Mappe neu sortiert wurden.
Von daher kann man sich auch heute zum geselligen Tanzen bei dieser Figurenvielfalt einfach bedienen und je nach Niveau der Tänzerinnen und Tänzer einen Tanz zusammenstellen. Weitere hilfreiche Hintergrundinformationen geben sehr schöne Broschüren des Deutschen Bundesverbandes Tanz (DBT) in Remscheid, z.B. die Hefte „Modetänze um 1800“ von Elfriede und Karl-Heinz Lange, oder auch „Kontratänze“, u.a. von Karl Heinz Taubert und Roswitha Busch-Hofer. Diese Hefte und andere sind auch beim BVfDT erhältlich.
Viel Spaß mit dem Tanz des Monats und der damit verbundenen Gestaltungsfreiheit wünscht
Hinrich Langeloh
Tanz des Monats Juni: Die Tyrolienne "Pfingstfreitag in der Probstei"
Diese schöne Melodie wurde zuerst 1918 veröffentlicht von Anna Helms und Julius Blasche in ihrem Heft „Bunte Tänze Nr. 2“ mit dem Kommentar:
„Pingsfridag in de Probsti“ wurde auf Festen getanzt, die früher zur Erinnerung an die am Freitag vor Pfingsten erfolgten Ankunft hessischer Siedler begangen wurden. Auf Veranlassung des Probstes von Preetz kamen sie seinerzeit aus dem Hessenland in die Probstei und wurden von den Probsteiern feierlich eingeholt. Der Tanz wir heute nur noch als langsamer Walzer getanzt. Die bunten Formen sind vermutlich im Laufe der Zeit verloren gegangen ...“
Die Probstei ist eine Region in Schleswig-Holstein, östlich von Kiel und nördlich von Plön.
1921 wurde diese Melodie – allerdings ohne den D-Teil - auch von Wilhelm Stahl in seiner Sammlung „Niederdeutsche Volkstänze“ veröffentlicht, wobei Stahl die Melodie „Vör Lammdal up’n Steen“ nannte. Auch er vereinnahmt die Melodie als langsamen Walzer und schreibt dazu:
„Nach einer Mitteilung des Musikdirigenten Wilhelm Schröder in Gleschendorf bei Hohenfelde soll dieser von ihm aufgezeichnete Tanz in alten Zeiten von einem Musiker auf einem Stein vor der Koppel „Lammdal“ in der Probstei gespielt worden sein und daher seinen Namen erhalten haben. Die beiden ersten Teile ohne nähere Bezeichnung stehen auch in einem um 1835 geschriebenen Notenheft aus dem Lauenburgischen.“
Anna Helms schlägt vor, anstatt des langsamen Walzers eine Tyrolienne zu tanzen, bzw. sie hat diese Mazurka-Walzer-Tanzform aus dem 19.Jahrhundert auf die Melodie
draufgesetzt. Hier ist die Tanzbeschreibung von ihr als pdf herunterzuladen.
„Zwei stark verbreitete Abarten der Mazurka bilden der Warschauer und die Tyrolienne. Letztere besteht aus einer Zusammensetzung von einer Ländler-, bzw. offenen Walzer-Figur mit der typischen Mazurka-Figur.“ (Aenne Goldschmidt Handbuch des Deutschen Volkstanzes)
„Tyrolienne (Jägerschottisch, Tiroler Ländler) ist eine französische Nachahmung des Ländlers. Sie unterscheidet sich in ihren Bewegungen von der Polka und vom Schottisch nur dadurch, dass sich ihre drei Tanzschritte nicht auf zwei Viertel, sondern gleichmäßig auf drei Taktteile des Dreivierteltaktes verteilen. Die Bewegung soll dabei nicht hüpfend, sondern wiegend sein. Die Tyrolienne ist über Paris in den deutschen Gesellschaftstanz des 19. Jh. gelangt. (s. Bayrisch Polka)“
(Tanzlexikon Otto Schneider 1984)
„§ 820 In manchen Gegenden ist dieser Tanz unter dem Namen Jäger-Schottisch oder Jägerpolka bekannt. Wie er zu diesem Namen gekommen ist, lässt sich ebenso schwer mit Bestimmtheit erklären, als die Entstehung so vieler anderer Tanz-oder Schrittnamen. Diese Benennung scheint in Berlin aufgekommen zu sein. Damals standen daselbst noch die Neuschateller Jäger, meistentheils hübsche, junge Leute, die in ihrer kleidsamen Uniform sehr gefielen. Irgend ein flotter Tänzer unter ihnen machte die Schritte auf ungewöhnlich anmuthige Weise, seine Kameraden suchten ihm es nachzumachen und die jungen Tänzerinnen nannten den Tanz Jägerpolka oder Jäger-Schottisch, wodurch sich die Benennung verbreitete. Wahrscheinlich ist dies die wahre Geschichte dieses Namens.“ (F.A. Zorn Grammatik der Tanzkunst 1840)
Am Namen wird deutlich, dass der Tanz in der Zeit der Romantik mit der Verherrlichung des Landlebens aufgekommen ist und natürlich in Paris ersonnen wurde und mit einem französischen Namen in Tirol und Deutschland populär wurde. So ist es mit vielen Tänzen abgelaufen, dass sie erst mit einem französischen Namen bei uns populär wurden. Eine einfache Ländler-Mazurka hätte das nicht so geschafft. Letztlich aber ist die von Anna Helms genannte Tanzform mit einigen Walzer-Ergänzungen und eventuellem Partnertausch eine schöne Alternative zu der französischen Balfolk-Mazurka. Weitere Hintergrundinformationen hat Wolfgang Schlüter von der LAG Tanz in Schleswig-Holstein zusammengetragen. Hier herunterzuladen als pdf.
Ich habe hier zwei Einspielungen von norddeutschen MusikerInnen. Einmal ist es eine kurze Einspielung der LAG Tanz Schleswig-Holstein von der CD zum Tanzbuch „Göös op de Deel“ von 2004. Diese Aufnahme enthält alle vier Teile der Melodie. Hier anzuhören als mp3
Das Tanzbuch „Göös op de Deel“ mit CD sollte noch bei der LAG Tanz S-H erhältlich sein. Desweiteren gibt es eine Aufnahme der Gruppe „hans dans“, die länger ist, aber ohne den D-Teil nach der Vorlage von Wilhelm Stahls „Vör Lammdal up’n Steen“. Hier anzuhören als mp3.
Die wunderbare Band gibt es leider nicht mehr, aber die schöne CD „Folksdans & Kandidel“ sollte noch erhältlich sein.
Als Video zur Tanzform der Tyrolienne gibt es eine sehr schöne Rekonstruktion der „Tyrolienne de L’Academie“ von 1885 von Sylvia Hartung aus dem Jahre 2020. Sie zeigt eine Menge möglicher Tanzfiguren für ein Tyrolienne und sie ist zu finden bei Youtube unter: https://www.youtube.com/watch?v=LGELpFrw9fI
Tanz des Monats Mai : Im Maien, im Maien die Vögelein singen
Dieses schöne und schwungvolle Lied wurde um 1820 von Hoffmann von Fallersleben in der Gegend von Bonn am Rhein aufgezeichnet und erschien u.a. gedruckt bei Erk/Böhme im „Deutschen Liederhort“ (Band II, S.729). Ähnliche Texte gibt es auch schon seit dem 16. Jh. Die Melodie klingt ein wenig wie eine französische Bourree und vielleicht ist sie von Frankreich mit den Truppen Napoleons zu uns gelangt, auch wenn Ludwig Erk meint, die Melodie wäre wegen der Moll-Tonart „uralt“. Aufgrund der Bourree-Ähnlichkeit der Melodie habe ich eine Tanzform daraus gemacht, die der zentralfranzösischen Bourree „La Chapelotte“ ähnelt und als Symbol für den Maien gibt es in jeder Tanzformation einen grünen Zweig (Birke o.ä.), der immer weitergereicht wird. Wenn es in alten Lieder heißt: „Ich geh den Mai zu hauen“, dann bedeutet das die schöne Tradition eine junge Birke oder ähnliches abzuschlagen und seiner Liebsten als Liebesbeweis vor die Tür zu stellen. So heißt es auch hier im Text: „… die Lauberen aus Grünheide springen. Sie tanzen, sie springen vor Herzliebchens Tür …“ Damit könnte dieser Tanz sicherlich die schöne Tradition der Maitänze fortsetzen, die leider schon im Laufe des 19. Jh. verloren gegangen ist, weil es wohl in erster Linie Reigentänze waren („Éren den meien, singen und reien“ heißt es schon 1648), die im 19. Jahrhundert generell immer seltener getanzt wurden. Reste davon finden wir heute lediglich noch in den Kindertänzen, bzw. vom Maientanz ist nur der Tanz in den Mai am 30. April übrig geblieben. Die Musik zu diesem neuen Tanz „Im Maien“ ist sehr passend eingespielt von der Ensemble-Band der Osdorfer Tanzwerkstatt im Jahre 2015 unter der Leitung von Reinhard Spielvogel.
Tanzbeschreibung als pdf und Tanzmusik der Osdorfer Tanzwerkstatt von 2009 als mp3
Hier kommt der Text des munteren Liedchens:
1. Im Maien, im Maien die Vögelein singen, im Maien, im Maien die Vögelein singen, die Lauberen aus Grün-Heide springen, die Lauberen aus Grün-Heide springen.
2. |: Sie tanzen, sie springen vor Herzliebchens Tür, :||: Da geht ein Abendtänzchen herfür. :|
3. |: Ein Abendtänzchen, es währet nicht lang, :| |: Mit einer Schalmei aus Engelland. :|
4. |: Wir hoffen, sie werden schon wiederum kommen, :||: Der Mai bringt uns den lustigen Sommer:|
5. |: Den lustigen Sommer, den gelben Klee, :||: Herzliebchen, das Scheiden, und das
tut weh. :|
6. |: Herzliebchen, das Scheiden tut nimmer mehr gut, :||: wer soll den trösten dem Mädchen den Muth ? :|
7. |: Das soll sich tun ein junger Gesell,
:||: und der dem Mädchen recht wohl gefällt :|
8. |: Gefällt er ihr im Herzen nicht, :||: so kriegt er das wacker-braun Mädchen nicht. :|
Der Tanz des Monats April 2022
Der Tanz des Monats April ist eine Quadrille, wenn auch eine eher besondere, die Ballett-Quadrille. Ich habe sie ausgewählt, weil Vivien auf der DeFI-Website eine von zwei überlieferten Melodien dazu in diesem Monat als Tune des Monats
ausgesucht hat.
Quadrillen sind Vierpaartänze, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts sehr populär sind in Europa und Amerika. Die bekannteste Aufstellung sind vier Paare im Kreuz, bzw. auf den Seiten eines Quadrates, aber es gibt auch relativ selten Quadrillen in zwei Reihen gegenüber. Die Reihenaufstellung in Gassen kam als erstes aus England hinüber auf den Kontinent im 18. Jahrhundert und wurde Contredance Anglaise (englischer Kontratanz) genannt. Die Quadrille in Kreuzaufstellung entwickelte sich etwas später in Frankreich und gelangte mit Napoleon in zahlreiche Regionen Europas unter dem Namen Contradance Francaise (französischer Kontratanz).
Heute sind Quadrillen im Volkstanz noch besonders populär im Norden Deutschlands, während in Bayern und Baden-Württemberg diese kaum anzutreffen sind. Somit ist auch die hiermit vorgestellte Quadrille eine aus dem Norden Deutschlands, aus der Lüneburger Heide. Dort hat ein Tanzmusiker mit Namen Voß die Beschreibung mit zwei Melodien überliefert. Eine davon ist als Tanzmelodie des Monats von Vivien ausgesucht worden und die zweite Melodie hat 1918 die Volkstanzsammlerin Anna Helms für die Ballett-Quadrille in ihrem Buch „Bunte Tänzen Nr. 2“ beschrieben. Schon vor 1908 begann sie mit ihrem späteren Mann Julius Blasche Erkundungstouren per Bahn oder Fahrrad durch die Lüneburger Heide zu machen, um deutsche Volkstänze zu sammeln und so entdeckte sie auch die Ballett-Quadrille:
„… aber da saß ein freundlicher älterer Spielmann und blies die Klarinette. … In seinem Haus war seine Frau unsere Tanzmeisterin, ihre erwachsenen Kinder und Nachbarn halfen. Sie alle tanzten mit in der kleinen gemütlichen Stube zu den lustigen Weisen, die der Vater auf der Klarinette spielte. Die Burmesters zählten etwa 60 Jahre … Noten brauchten sie nicht. So saß ich nur immer und zeichnete die Weisen nach seiner Klarinette auf. … Wir fanden dort folgende Tänze: Drehdam, Leier-Tanz, Ballett-Quadrille, Hand-Quadrille …“
Derartigen eher zufälligen Begegnungen verdanken wir die Aufzeichnungen unserer traditionellen Tänze und natürlich dem Forschergeist und Enthusiasmus von Menschen wie Anna Helms und Julius Blasche zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Es war gerade noch rechtzeitig, um zumindest einige der traditionellen Tänze noch von den alten Gewährsleuten geschildert zu bekommen. Bei der Aufzeichnung der Tänze ergibt sich ein kleines Problem bei den Tempi der Tänze, die die Gewährsleute in jungen Jahren wahrscheinlich schneller getanzt und gespielt hätten. Somit weiß man nicht genau, ob das relativ langsame und behäbige der norddeutschen Tänze etwas mit der norddeutschen Mentalität zu tun hat oder aber mit dem Alter der Übermittler.
Der Name „Ballett-Quadrille“ entstand wahrscheinlich durch das Tanzelement des Paarsolos, einer Art Pas de deux wie im Ballett, das jedes Paar bei jedem Durchgang durch die Gasse tanzt. Diese Quadrille ist mit ihrer Reihenaufstellung eine der seltenen Exemplare dieser Aufstellungsart und von daher schon interessant. Eine Musik von den Helms-Noten gibt es leider noch nicht und auch kein Video, aber hier anbei gibt es eine einfache Midi-Datei zum anhören. Die Ballett-Quadrille gehört zu den sog. Bunten Tänzen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie verschiedene Touren haben. Das sind Tanzfiguren, die wechseln, und meistens im 1. Teil des Tanzes zu tanzen sind, während der Rest des Tanzes wie eine Art Chorus immer gleich bleibt.
Hier ist die Tanzbeschreibung herunterzulanden,sowie auch eine einfache Midi-Datei der Tanzmusik.
Der Tanz im Monat März 2022
Der Tanz des Monats im März 2022 ist das Westharzer Triolett, ein Kolonnentanz zu Dritt aus dem Harzer Vorland in Niedersachsen. Speziell in Norddeutschland hat sich eine Form von Dreiertänzen mit Progression, „Triolett“ genannt, bis heute gut erhalten. Zu Beginn wurde diese Tanzform auch gelegentlich noch Terzett genannt, wie z.B. das Bogenterzett oder Circkelterzett aus einem Artländer Tanzbuch um 1800 aus der Gegend von Osnabrück. Um 1800 herum kam plötzlich diese Tanzform in Mode, vielleicht bedingt durch den Einfluss der französischen Tampete. Der Tanz „Tampete“war ein Kolonnentanz im Kreis mit jeweils zwei Paaren gegenüber, die nach einem Durchgang des Tanzes weitergingen zum nächsten Paar, um mit dem Dasselbige zu tanzen. Das französische Wort „tempète“ für Sturm wurde eingedeutscht in Tampete. Vielleicht war es eine Anspielung auf Napoleon und seine Truppen, die wie ein Sturm über Europa hinwegfegten. Die Trioletts dagegen bestehen aus zwei Trios, gewöhnlich ein Mann zwischen zwei Frauen, die sich gegenüberstanden und verschiedene Tanzfiguren miteinander machten, um dann am Ende ebenfalls weiterzugehen zum nächsten Trio. Gut überliefert in der Volkstanztradition sind die Trioletts aus der Region des Harzes, wie das Westharzer Triolett oder das Alfelder Triolett. Dieser Formationstanz ist relativ einfach und macht Spaß in großer Runde zu Tanzen und wäre von daher sicherlich eine Bereicherung für jeden Balfolk-Abend.als Alternative zum immergleichen Cercle Circassien oder zur Chapelloise. Leider gibt es im Internet noch keine Videos vom Westharzer Triolett, lediglich vom Alfelder Triolett, das ähnlich aber doch in etwas anderer Form getanzt wird. Ich arbeite dran, dass demnächst ein Video vom Westharzer erscheint. Es gibt bisher auch noch kaum gut eingespielte Melodien vom Westharzer Triolett, so dass ich Vivien Zeller angefragt habe, eine etwa 4 minütige Tanzmusik zum Westharzer aufzunehmen. Diese sehr gelungene Aufnahme ist hier auf der Website und kann als Tanzbegleitung zum Westharzer genutzt werden. Vielen Dank an Vivien dafür. Hier sind die Links zur Musik "Viviens Westharzer" und zur Tanzbeschreibung "Westharzer Triolett".
Wer sich allgemein für deutsche Triotänze interessiert, dem sei das Tagesseminar des BVfDT am Samstag d. 2. Juli 2022 in Hamburg empfohlen. Dort wird es nur um Triotänze aus verschiedenen Regionen Deutschlands gehen. Die genauere Einladung dazu gibt es hier auf der Website des BVfDT (Triotänze).
Der Tanz im Monat Februar 2022
Der Tanz des Monats Februar ist – in Absprache mit der Melodie des Monats von Vivien Zeller – der „Klapperman“, ein Tanz aus der Osdorfer Tanzwerkstatt für neue Deutsche Tänze. Die Choreographie ist von mir neu zu dieser alten Melodie aus der Dahlhoff-Sammlung entworfen worden. Diese Sammlung entstand die in Dinker (Westfalen) in einer Kirchenmusikfamilie in den Jahren von 1767 bis 1799. In 10 Heften wurden über 1000 Melodien gesammelt, die meisten Menuette und Polonaisen, aber auch andere Tänze, deren Tanzform oder Choreographie nicht mit aufgezeichnet wurden. Somit ist jede Tanzform zu dieser Melodie lediglich der Versuch einer Rekonstruktion. Ich habe die damals gebräuchlichen Tanzschritte und Tanzformen herangezogen und einen Paartanz-Mixer im Kreis daraus gemacht. Dies bedeutet, dass sich Paare im großen Kreis oder in mehreren Kreisen aufstellen, gewöhnlich stehen die Männer oder als Männer tanzende Frauen links von ihrer Partnerin. Am Ende des ersten Durchgangs jedoch sind die Männer weitergegangen in Tanzrichtung zur übernächsten fremden Partnerin, während die Frauen zugleich in Uhrzeigerrichtung weitergehen und bei dem übernächsten fremden Mann landen. Entscheidend ist der Klatschteil des Tanzes im dritten Teil der Melodie, dem er wohl auch seinen Namen verdankt. Der Klatsch-Rhythmus ist eindeutig vorgegeben durch die Melodie, nur die genaue Ausführung ist natürlich nicht überliefert. Gewöhnlich klatscht man dann mit dem Partner und so habe ich die Variante „3 x eigene Oberschenkel“ und „3x Hände des Gegenüber“ gewählt. Es sind auch andere Varianten des dreimaligen Klatschens möglich, aber man sollte sich einige sein über den Klatsch-Rhythmus.
Im Flämischen gibt es die gleiche Melodie mit dem Namen „La Lavandière“, die Waschfrau, die beim Waschen die Wäsche häufiger mal auf Steine schlugen, wahrscheinlich um sie zu glätten. Das gleiche Motiv mit dem Klatschen als Symbol für das Wäschewaschen kommt bei dem Renaissancetanz „Branle des Lavandières“ von Thoinot Arbeau in seinem Buch Orchesographie von 1589 vor. Auch bei dieser Melodie ist der Klatschrhythmus im dritten Teil zu finden, aber man klatscht nur in die eigenen Hände und das viermal. Man kann die Melodie natürlich auch frei Tanzen als Schottisch, wenn auch die Melodie das nicht gut unterstützt mit den vier langen Noten zu Beginn.
Es gibt viele gute Aufnahmen vom Klappermann im Netz, aber hier ist eine Aufnahme der Compagnie Brumborium, die genau diese Tanzform unterstützt und gema-frei verwendbar ist. Filmaufnahmen dieser Tanzform gibt es noch nicht, aber wir arbeiten dran. Hier die Links zur Musik "Brumboriums Klapperman" und Tanzbeschreibung "Klapperman".
Im November 2022 gibt es die nächste Osdorfer Tanzwerkstatt, und zwar am 12./13. 11. 2022 hier in Hamburg. Wer Lust hat, sich an der Kreation neuer deutscher Tänze zu beteiligen kann die genaueren Informationen auf der Website „www.tanzwerkstatt-osdorf“ finden.
Tanz des Monats Januar 2022 „Abend legt vor meinem Haus“ (Tanz: Hinrich Langeloh)
Passend zur dunklen, aber auch mit Lichtern erhellten Adventszeit, habe ich einen Tanz ausgesucht mit einer neuen Melodie und einer neuen Tanzbeschreibung. Das Lied wurde geschrieben von Peter Michael Riehm (1947-2007), einem großartigen Komponisten aus der Waldorf-Szene, nach einer Textvorlage von Hans Roelli (1889-1962). Dieses Lied ist erschienen in dem Buch „Hör ich von fern Musik – Volkslieder für unsere Zeit“ und es hört sich mit einem Umfang von einer Oktave genauso an wie ein seit Jahrhunderten bekanntes Volkslied.
Es ist sehr schön und eingängig und so habe ich auch einen einfachen, ruhigen Tanz dazu gemacht, damit man/frau es auch nur acappella singen und tanzen kann – ganz in der Tradition der alten deutschen Singtänze. Wir verwenden es seit Jahren als Abschlusslied in unserer wöchentlichen Tanzgruppe und es kann helfen, nach einem bewegten Tanzabend wieder zur Ruhe zu kommen und entspannt nach Hause zu fahren. Wer nicht selbst singen möchte, bzw. lieber zu Musik tanzt, dem sei die Aufnahme des Ensembles TRIGON (Kathrin Krauß, Kerstin de Witt und Holger Schäfer) empfohlen. Es ist eine sehr schöne Aufnahme von der ersten CD des Ensembles und das Lied gibt es auf Youtube zu hören.
Hier ist der sehr poetische Text des Liedes:
„Abend legt vor meinem Haus seinen blauen Mantel aus. Gras und Grün verblassen an den stillen, stillen Straßen. Seinen blauen Mantel aus. Mensch und Schritte wandeln sacht angesichts der nahen Nacht. Wie ihr mir berichtet, ist der Streit geschlichtet. Angesichts der nahen Nacht. Sterne gehn im Himmelsdom wie in einem dunklen Strom. Bis des Mondes Bogen sie zu sich gezogen. Wie in einem dunklen Strom. Auch die junge Amselin mag im Feld nicht weiterziehn. Birgt sich ins Gefieder und vergisst die Lieder. Mag im Feld nicht weiterziehn.“
Und hier die Noten und die Tanzbeschreibung als pdf, sowie eine schöne Aufnahme der OS-Dorfmusik.
Viel Spaß mit diesem Tanz, der natürlich auch je nach Pandemielage ohne anfassen getanzt werden kann!
Geschäftsstelle:
BUNDESVERBAND für DEUTSCHE TÄNZE, Am Osdorfer Born 14, 22549 Hamburg
mail: info(ät)bvfdt.de